Wir sind eins und entstammen derselben Quelle
Wir sind Gott
Was für einige Menschen wie Blasphemie klingt, spricht unzählige Leser direkt im Herzen an: Die Kernbotschaft, die sich durch die gesamte Trilogie “Gespräche mit Gott” hindurch zieht. Wir sind alle göttliche Wesen. Irgendetwas scheint Viele in diesen Büchern direkt zu berühren. Das erklärt die millionenfach verkauften Exemplare, die Übersetzung des Werkes in 24 Sprachen und weitere Bände, die nach dem dritten Band erschienen sind.
Wer mit Daten und Fakten zu einem Thema recherchiert, wird solch ein tiefgreifendes und aufrüttelndes Werk nie schreiben können. Hier muss wahrhaftig „irgendetwas“ sprichwörtlich inspiriert haben. So war es wohl bei Neale Donald Walsch, als er Anfang der 1990er Jahre eine schwere, persönliche Krise hatte und, wie schon so oft, einen Brief an Gott schrieb – dieses Mal einen Anklagenden, Verzweifelten. Was dann geschah, beschreibt er sehr eindrucksvoll: Des Autors Hand schreibt wie ferngesteuert weiter: „Willst Du wirklich eine Antwort auf all diese Fragen oder nur Dampf ablassen?“ Der „ungewöhnliche Dialog“ beginnt – und offenbart ein neues Weltbild.
Der etwas andere Gott
Auf den ersten Blick mögen die Gespräche mit Gott zahlreiche Vorstellungen und Dogmen über Gott, Religionen und die Welt auf den Kopf stellen. Dies geschieht aber durchweg in einer plausiblen und durch den Dialog lebendigen und zeitgemäßen Art und Weise. Man wird angeregt, intensiv über den Grund seines Daseins nachzudenken und sich in Erinnerung zu rufen, was für unfassbare Dimensionen das Weltall um uns herum hat. Die Bücher öffnen den Blick ins Unendliche und vermittelt trotzdem oder gerade deshalb ein Gefühl der Liebe und Geborgenheit statt der Angst.
Angst oder Liebe
Hiermit gelangen wir zu einem weiteren roten Faden, der sich durch alle drei Bände zieht: Angst versus Liebe. Diese beiden Grundgefühle werden als die „stiftenden Gedanken“ für jedes Wort, das wir sprechen und jede Tat, die wir vollbringen, bezeichnet. Diejenigen Leser, die wirklich bereit dazu sind, dies zu hinterfragen, stellen fest, wie viele Entscheidungen wir tatsächlich aus „Angst“ – oft getarnt als Vernunft – statt aus einer Intuition, dem Herzen, eben der Liebe heraus, treffen. Und welche Konsequenzen das hat.
Wir lernen einen Gott kennen, mit dem man nicht nur auf Augenhöhe ist, sondern, der – wie Jesus in Lukas 17, 21 schon sagte – „mitten unter uns / in uns“ ist. Die Bedeutung, wir sind alle EINS, wird in allen drei Bänden mehrfach erläutert; uns eint dieselbe Quelle und dieselbe Seele, die sich in Form der Inkarnation nur unterschiedlich „individualisiert“ – wie es genannt wird. „Ihr müsst aufhören, Gott als von euch und euch selbst als voneinander getrennt zu betrachten“.
Dieser Gott, der sich stellenweise überaus humorvoll zeigt, ist erfrischend und wohltuend. Er wird Teil des Lesers. Und er ist in uns – bist Du, bin ich. Es wird verständlich, dass wir das Werkzeug haben oder sogar sind, um als Individuum und als Kollektiv unser Leben und das Schicksal unseres Planeten selbst in die Hand zu nehmen. Er gibt zu verstehen, dass unsere endlosen, bittgesuchartigen Gebete, die unsere passive Haltung zum Ausdruck bringen, fruchtlos sind. „Es ist nicht Gottes Funktion, die Bedingungen oder Umstände des Lebens zu erschaffen oder zunichte zu machen. Gott hat DICH erschaffen, nach seinem Ebenbild. Den Rest hast DU erschaffen, durch die Macht, die Dir von Gott verliehen wurde. In diesem Sinn ist DEIN Wille für DICH Gottes Wille für Dich“. Oder auch: „Sei kreativ statt reaktiv“ – ein auf alle Lebenslagen zutreffendes Motto.
„Jesus erlöst uns von dem, was der Vater anrichtete“ – wer macht sich über wen lustig
Entsprechend kommen alte Religionsbilder ins Wanken: „Ihr macht euch über mich lustig. Ihr sagt, ich, Gott, hätte von Natur aus unvollkommene Geschöpfe erschaffen und dann von ihnen verlangt, dass sie entweder vollkommen sein oder aber mit der Verdammnis rechnen müssten. […] Ihr sagt, dass mein Sohn – der einzige Vollkommene – euch von eurer Unvollkommenheit erlöst habe, von der Unvollkommenheit, die ich euch gab. […] Gottes Sohn erlöste euch von dem was sein Vater anrichtete“.
N. D. Walsch steht stellvertretend für uns alle, die Fragen über den Lebenssinn und den Grund unseres Daseins haben. Er stellt sie auf solch ehrliche und aufrichtige, bisweilen sogar naive Art und Weise. Sicherlich kann der Leser sich genau deshalb gut und gern mit ihm identifizieren. Insofern sind es eigentlich unsere eigenen Gespräche mit Gott. Die Antworten sind mal informativ, mal herzerwärmend. Häufig zeigen sie aber auch schonungs- aber nie respektlos auf, wie unterentwickelt wir auf spiritueller Ebene sind: „Auf eurem Planeten habt ihr eine Gesellschaft geschaffen, in der Hänschen zwar schon lesen gelernt hat, noch bevor er in die Grundschule kommt, aber noch nicht gelernt hat, seinen Bruder nicht zu beißen“. Dies ist nicht die einzige Antwort, bei der man sich regelrecht auf den Schlips getreten fühlt. Verdammt. Wie wahr.
Geld, Macht, Kriege, Liebe, Sex
Es kommen viele aktuelle Themen zur Sprache: Beziehungen, Liebe, Ehe, Sex, Tod, Leben nach dem Tod, Suizid, Geld, Macht, Teufel, Religionen, Leben außerhalb der Erde. Die Liste ließe sich erweitern.
Der Dritte Band enthält zu Beginn eine Art Warnung: Er werde schonungslos und unbequem. Und tatsächlich fühlt man sich nach der häufig erwähnten „Umarmung“ der ersten beiden Bände beim Dritten ab und zu verloren. Unsere Kriege untereinander sowie gegen das gesamte Leben auf dem Planeten scheinen in ihrer komprimiert dargestellten Form so dominant zu sein, dass man bei der Lektüre schon mal jegliche Zuversicht verlieren kann.
Die drei Bände sind – analog ihrer Untertitel – gegliedert in den persönlichen, „ungewöhnlichen Dialog“, „Gesellschaft und Bewusstseinswandel“ und „kosmische Weisheit“.
Unsere spirituelle Evolution
Meines Erachtens vermittelt die Trilogie glaubhaft, dass ein „höheres Etwas“, eine „feinstoffliche Energie“ oder eben etwas, das man „Gott“ nennt, präsent und der Grund für die Entstehung allen Lebens ist. Der Leser verliert – endlich – das Bild des personifizierten, barttragenden und richtenden Mannes irgendwo im Himmel. Die Trilogie zeichnet einen nach vorne gerichteten Lebenssinn: geistige / spirituelle Evolution. Alle drei Bücher vermitteln einen horizonterweiternden „kosmischen Zusammenhang“ des Lebens. Nirgendwo fühlt man sich jedoch missioniert.
Sicher, es geistern mir immer noch einige Fragen zu unserem physischen Hier und Jetzt im Kopf herum: Haben wir überhaupt noch eine Chance, spirituelle Reife, und somit Vernunft, zu erlangen? Welche Konsequenz hätte das Festhalten an unserer derzeitigen, destruktiven Entwicklung? Warum scheint der Weg von unserer Unbewusstheit zur Bewusstheit und Weisheit denn so schwer zu sein? In einem weiteren Buch des Autors, “Gott heute”, wird der kosmische Lebenszyklus nochmal zusammengefasst:
“Ihr befindet euch in einem Kreislauf, von der ganzen Fülle des Wissens zur Leere des Vergessens und wieder hin zur ganzen Fülle des Wissens. Vom Einssein zur Trennung und wieder hin zum Einssein. Vom Absoluten Bewusstsein zum Unbewusstsein und wieder hin zum Absoluten Bewusstsein.” Diese Bewegung ist Teil des endlosen Kreislaufs des Lebens: “das Kommen und das Gehen, das Erscheinen und das Verschwinden, das Sein und das Nichtsein, und das, was ihr das Leben und das Sterben genannt habt. […] Es ist die […] Weisheit der Weisheiten.”
Nach Jahrzehnten des Grübelns kann ich heute viel entspannter mit den offenen Fragen umgehen. Seit tausenden von Jahren haben wir immer noch nicht alle Antworten gefunden. Ich persönlich kann aber jetzt viel leichter akzeptieren: „vergeude nicht die kostbaren Momente deiner gegenwärtigen Realität mit dem Bestreben, alle Geheimnisse des Lebens enthüllen zu wollen.“
Für wen sind die “Gespräche mit Gott” geeignet?
Ich würde wagen zu behaupten, dass die Bücher für jeden, unabhängig vom persönlichen Glauben, lesenswert sind. Irgendwo habe ich einmal einen Leserkommentar gelesen, die „Gespräche mit Gott“ seien eine ganz nette Einsteigerlektüre. Es ist selten, dass ich mein Veto-Kärtchen zücken möchte: In meinen Augen liefert die Trilogie von Neale Donald Walsch extrem spannende und unerwartete Antworten fürs Leben und trägt zu einem neuen Gottes- und ein Stück weit Bibelverständnis bei. Es sind häufig gerade die klaren Botschaften, die in einfache Worte gekleidet sind. Bei unaufmerksamer Lektüre kann da schon mal etwas Wesentliches übersehen werden. Liest Du sie nach ein Paar Jahren noch einmal, wirst Du garantiert etwas Neues entdecken.
Die Gespräche mit Gott, die im Prinzip unsere Dialoge mit Gott sind, erweitern den persönlichen Horizont ungemein und bringen Dich dazu, Dich mit dem Leben und Dir selbst langfristig auseinander zu setzen. Weglegen und den nächsten Krimi rausholen ist nicht. Sie machen neugierig auf die Bücher des Autors, die in den darauf folgenden Jahren erschienen sind.